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Ursula Pidun – Ist unser Rechtsstaat in Gefahr?

Ursula Pidun - Ist unser Rechtsstaat in Gefahr? Es zeigt sich, jeder vierte Gutachter hat von Justiz schon einmal einen Fingerzeig bekommen

Ursula Pidun – Ist unser Rechtsstaat in Gefahr?

Eine unter der Leitung der Münchener Professorin Dr. Ursula Gresser erhobene Studie offenbart, dass jeder vierte #Gutachter von der #Justiz schon einmal “einen Fingerzeig bekommen hat”. Höchste Zeit also, der Brisanz dieser Thematik mehr Öffentlichkeit zu verschaffen. Wir haben nachgefragt.
 
Fälle wie etwa Gustl Mollath oder Jörg Kachelmann haben in der Vergangenheit aufhorchen lassen und für viel Wirbel gesorgt. Grundlage derartiger Fehlentwicklungen im vermeintlich rechtsstaatlichen Justizgefüge können unter anderem auch die in Deutschland praktizierten Gutachtertertätigkeiten im Auftrag der Justiz bieten. Die durch Gerichte offiziell bestellten Experten haben maßgeblichen Einfluss auf eine #Urteilsfindung. Die hinzugezogenen Gutachter stehen jedoch gleichzeitig in wirtschaftlicher Abhängigkeit zu ihrem Auftraggeber – also der Justiz selbst. Das rüttelt an den Grundfesten der Neutralität, die rechtsstaatliches Handeln grundsätzlich voraussetzt und es schafft Abhängigkeiten.
 
Werden rechtsstaatliche Prinzipien im Rahmen solcher Gutachtertätigkeiten verletzt, hinterlässt dies bei Betroffenen ein menschliches Desaster mit zumeist irreversiblen Schäden und dramatischen Folgen für das gesamte weitere Leben. Umso wichtiger werden Kontrollen in Bereichen, die ansonsten schwer zugänglich sind. Kontrollmechanismen also auch für die Justiz, die bisher aufgrund immenser Vertrauensvorschüsse durch die Gesellschaft praktisch keine Rolle spielten.
 
Eine unter der Leitung der Münchener Professorin Dr. Ursula Gresser erhobene Studie, die unter anderem auf der Grundlage einer Vielzahl an Befragungen von Gutachtern basiert, untermauert die Brisanz der Thematik. Demnach habe jeder vierte Gutachter von der Justiz schon einmal „einen Fingerzeig bekommen“. Es bestehe damit dringender Handlungsbedarf, fordert Gresser. Wir haben nachgefragt.
 

#Richter, #Staatsanwälte und Gutachter – eine schwierige Allianz?

 
Man muss unterscheiden: Richter sind der Neutralität verpflichtet, sie sollen nach bestem Wissen und Gewissen die #Wahrheit ermitteln und das #Recht anwenden. Staatsanwälte sind die Ankläger, sie sollen einen vermuteten Täter einer Überführung und Bestrafung zuführen – selbstverständlich aber auch die Wahrheit ermitteln, Unschuldige schützen.
 
Gutachter sollen die juristische Expertise mit ihrem jeweiligen fachlichen Wissen ergänzen. Dabei sind bzw. wären sie verpflichtet, absolut neutral zu bewerten. Werden aber vom Auftraggeber Gericht bei Auftragsvergabe Hinweise gegeben, wo das Verfahren hinlaufen könnte, oder Unterlagen dem Gutachter nicht vollständig zur Verfügung gestellt, ist das Gutachten von Beginn an in seiner Wahrheitsfindung eingeschränkt, als #Beweismittel unverwertbar.
 

Man muss unterscheiden: Richter sind der Neutralität verpflichtet, sie sollen nach bestem Wissen und Gewissen die Wahrheit ermitteln und das Recht anwenden. Staatsanwälte sind die Ankläger, sie sollen einen vermuteten Täter einer Überführung und Bestrafung zuführen – selbstverständlich aber auch die Wahrheit ermitteln, Unschuldige schützen.

Gutachter sollen die juristische Expertise mit ihrem jeweiligen fachlichen Wissen ergänzen. Dabei sind bzw. wären sie verpflichtet, absolut neutral zu bewerten. Werden aber vom Auftraggeber Gericht bei Auftragsvergabe Hinweise gegeben, wo das Verfahren hinlaufen könnte, oder Unterlagen dem Gutachter nicht vollständig zur Verfügung gestellt, ist das Gutachten von Beginn an in seiner Wahrheitsfindung eingeschränkt, als Beweismittel unverwertbar.

Worin liegen Ihrer Meinung die Ursachen, wenn diesbezüglich notwendiger Handlungsbedarf nicht zum Zuge kommt?

Man hat aus der Erfahrung der deutschen Vergangenheit heraus versucht, ein komplett unabhängiges Rechtsystem zu installieren. Dabei hat man im Lauf der Zeit „Unabhängigkeit“ mit „Unkontrolliertheit“ und „Keine Verantwortung“ verwechselt. Ein System ohne jedwede Kontrolle und Verantwortung wird auf Dauer entgleisen.
Wenn Fehler gemacht werden, ob aus fehlender Kompetenz, Bequemlichkeit oder aus individuellen Interessen heraus, dann müssen die Verantwortlichen dafür zur Rechenschaft gezogen werden. Der Rechtsstaat muss für alle gelten.

Rechtstaatlichkeit – darauf haben Bürger ein grundgesetzlich verbrieftes Recht. Welche Kontrollen und Maßnahmen fehlen, dass es zu den im BR-Beitrag geschilderten Fehlentwicklungen überhaupt kommen kann?

Es fehlt an Kontrolle und Konsequenz. Es gibt Verfahren, da wissen längst alle Beteiligten, dass der Falsche vor Gericht steht, aber man korrigiert dies nicht. So wie die Ärzteschaft lernen musste, zu Fehlern zu stehen, aus ihnen zu lernen, sie zu korrigieren, so muss dies nun für die Organe des Rechtssystems geschehen. Juristen sind nicht unfehlbar, und es würde ihnen besser zu Gesicht stehen, wenn sie dazu stehen und ihre Fehler – wenn sie welche gemacht haben – korrigieren würden.
Wir brauchen für unser Rechtssystem eine wirksame Kontrolle und ein Qualitätsmanagement. Und Konsequenzen bei offensichtlichem Fehlverhalten. Dies fehlt bislang.

Welche Gegenmaßnahmen könnten die derzeitigen Defizite denn weitgehend ausräumen?

Da gibt es viel zu tun. Was das Gutachterwesen angeht, haben Herr Jordan und ich einen Gesetzentwurf vorbereitet, der ab 08. April 2014 in der Zeitschrift „Der Sachverständige“ des Beck-Verlages veröffentlicht wird, zu lesen unter „Publikationen„. Was den Rechtsstaat angeht, so wäre es wünschenswert, dass Richter nicht nur aus dem Kreis der Staatsanwälte kommen, sondern auch aus dem Kreis der Anwälte. Die Nähe zwischen Richter und Anklage sollte nicht anders sein, als die Nähe zwischen Richter und Verteidigung.

Wie können sich Bürger schützen, nicht Opfer eines gerichtlichen Gutachter-Systems zu werden, das eigentlich rechtwidrig ist?

Bürger können sich gar nicht schützen. Wenn sie den Schicksalsschlag erleiden, in die Mühlen des Systems zu geraten, zum Beispiel als Opfer einer Falschbeschuldigung, dann haben sie schlechte Karten. Selbst wenn es ihnen gelingt, die Falschbeschuldigung zu beweisen – wie es zum Beispiel im Falle Kachelmann erfolgt ist – wehrt sich das Rechtssystem immer noch gegen „die Rolle rückwärts“ und gegen die Bestrafung der tatsächlichen Täter, z.B. nach StGB §§ 164 und 239. Der Schaden, den diese verursacht haben, muss rechtsstaatlich gewürdigt werden. Meines Erachtens müssten im Falle Kachelmann längst Ermittlungen gegen die wohl falschbeschuldigende Dame eingeleitet worden sein, es müsste auch hinterfragt werden, ob die Organe des Rechtsstaates korrekt ihre Arbeit gemacht haben. Es fehlt an einer Fehlerkultur im Rechtssystem, diese muss geschaffen werden.

Wer hilft Opfern im Zweifel weiter?

Wer im Zweifel weiterhelfen kann? Wirksame Hilfe in der derzeitigen Krise geben nur Bürgernetzwerke und die öffentliche Diskussion. „Neuland“ – also unser Internet – ist hier eine Chance zum Erhalt von Demokratie und Rechtsstaat. Twittern Sie, gehen Sie in Facebook, sprechen Sie über Ihren Fall! Die Motten scheuen das Licht, die Täter das offene Wort.

Quellen:
By Alfred Becker

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